Der Herbstwind in Vietnam, auch bekannt als Heo May oder kurz May, ist ein leichter, kühler und trockener Wind, der typischerweise im Herbst zu wehen beginnt. Nach traditioneller vietnamesischer Überlieferung kündigt sich ein möglicher Sturm an, wenn im siebten Monat des Mondkalenders ein leichter Heo May weht, vereinzelt Regentropfen fallen und Schwärme von Libellen über Felder und Teiche fliegen. Der Schriftsteller Nam Cao beschrieb einen typischen Heo-May-Tag folgendermaßen: „Tagsüber ist es kühl, der Himmel ist sehr blau, die Luft ist klar, die Sonne ist mild, der Heo May weht über die Felder.“ Der Beginn des Heo May markiert üblicherweise den Beginn der Trockenzeit. Kohlarten, Chinakohl und Weißkohl beginnen zu wachsen. Der Reis reift und bereitet sich auf die Ernte vor. Die Blätter des Zuckerrohrs im Garten hören auf zu wachsen und der süße Geschmack im Halm intensiviert sich.
Viele Menschen verwechseln jedoch den Heo May mit dem Nordostmonsun. Diese Verwechslung rührt daher, dass beide Winde in der kalten Jahreszeit (Winter) auftreten und aus nördlicher Richtung (mit östlicher Abweichung) wehen. Tatsächlich handelt es sich aber um zwei verschiedene Winde und somit um zwei unterschiedliche Naturphänomene.
Der Nordostmonsun, auch bekannt als Nordwind, ist ein „kalter Monsunwind, der aus nordöstlicher Richtung über das Gebiet Nordvietnams und einige Provinzen Zentralvietnams weht“. Dieser Wind weht hauptsächlich im Winter. Mit dem Einsetzen des Nordostmonsuns kommt es zu mäßigem Regen. Anschließend nimmt der Regen ab (im späten Winter und frühen Frühling kann es Nieselregen geben – ein leichter, feiner Regen, der mehrere Tage andauert) und die Temperatur sinkt deutlich, manchmal sogar stark. In ländlichen Gebieten beeinflusst der Nordostmonsun die Aussaat, die Ernte und das allgemeine Leben stark. Man vermeidet Hochzeiten an Tagen der Trauer und das Pflanzen von Süßkartoffeln an Tagen mit Nordwind. Der heulende Nordwind, begleitet von Nieselregen, macht jedem zu schaffen. Der Schriftsteller Nguyễn Công Hoan beschrieb diesen Wind in seiner Geschichte „Der blinde Sänger“ sehr treffend: „Der Regen ist wie Mehlstaub, wie ein Netz. Die Straßen sind verschwommen und weiß. Um das trübe elektrische Licht herum… Der Wind stürmt in Böen. Gelbe Blätter fallen auf die Straße und rollen raschelnd hintereinander her. Die Kälte dringt bis in die Knochen ein.“
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich der Heo May und der Nordostmonsun deutlich voneinander unterscheiden. Der Heo May kann als Freund der Bauern betrachtet werden, der die Erntezeit ankündigt. Der Nordostmonsun hingegen bringt oft strenge Kälte mit sich, die sich auf die Gesundheit von Mensch und Tier auswirkt. Im Mittelgebirge oder Hochland müssen nicht wenige Wasserbüffel nach jeder Periode intensiver Kälte „in den Topf“ oder zu „getrocknetem Büffelfleisch“ verarbeitet werden. Obwohl beide Winde in der kalten Jahreszeit auftreten, weisen sie völlig unterschiedliche Merkmale und Auswirkungen auf.